
Der Pendler zwischen Bilanzen und Brennkessel
Eine wohl einzigartige Berufskombination übt Rudolf Maria Schwarzer in Lienz aus. Er ist Steuerberater und Schnapsbrenner aus Leidenschaft. Er führt damit die Familientradition, die bis in die k.u.k. Zeit zurückreicht, fort.
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Rudolf Maria Schwarzer ist ein Vollblutunternehmer – und wohl auch das inoffizielle Stadtteiloberhaupt rund um die Messinggasse. Der großgewachsene Mann, den man eigentlich nur mit einem Lächeln kennt, scheint stets gut gelaunt und ist bestens vernetzt. In seinem Viertel in Lienz kennt er jeden – und jeder kennt ihn. Dort kann er keine drei Schritte gehen, ohne in einen freundlichen Smalltalk verwickelt zu werden.
Sein erlernter Beruf ist Steuerberater, und als solcher betreibt er seit 1998 eine Wirtschaftstreuhandkanzlei in der Lienzer Alleestraße. In der Parallelstraße, der Messinggasse, befindet sich die Schnapsbrennerei. Der Steuerberater hat sein Büro so gewählt, dass er auf den Innenhof der Schwarzer-Schnapsbrennerei hinunterschauen kann – und natürlich gibt es auch eine Verbindungstür. So muss er nur seinen edlen Minenbleistift zur Seite legen, vom Schreibtisch aufstehen, ein paar Schritte gehen – und schon wird aus dem Steuerberater der Schnapsbrenner.
Wermutrezept von 1879
„Aber eigentlich bin ich ohnehin Schnapsbrenner, der Steuerberater geworden ist“, erklärt Rudolf Schwarzer mit einem lächelnden Gesicht und einem gewissen stolzen Unterton. „Ich habe schon als elfjähriges Kind meinem Vater beim Destillieren geholfen und damals meine Leidenschaft dafür entdeckt.“ Sein Glück, seine große Liebe und Ehefrau Romana Felbar teilt seine Leidenschaft für die Schnapsbrennerei, die sie gemeinsam betreiben. Die beiden haben das historische Familienunternehmen, das einmal schon fast zum Stillstand gekommen wäre, Schritt für Schritt mit neuem Leben erfüllt – Rudolf neben seiner Steuerberatungskanzlei, Romana neben der Familie mit fünf Kindern. Seit 1999 führen sie die Schnapsbrennerei, die heute ein Vollsortiment von 70 verschiedenen Bränden produziert – darunter allein 20 Apfelbrände.
Aber das Sortiment der Brennerei, die im Jahr 1879 durch den k.u.k. Hoflieferanten Ferdinad Probst gegründet wurde und seit 1926 im Besitz der Familie Schwarzer ist, reicht viel weiter. Probst hat nämlich eine große Rezeptsammlung hinterlassen, darunter auch eines für einen Magenbitter, der um 1900 in ganz Europa mit 67 Goldmedaillen ausgezeichnet wurde. Da Rudolf Schwarzer schon vor Jahren ahnte, dass der Wermut zum neuen Trendgetränkt wird, wurde das überlieferte Rezept von Probst vor einigen Jahren wiederbelebt. Mit Erfolg: der traditionsreiche Wermut aus der Brennerei Schwarzer wurde in der Zwischenzeit vom Magazin „der Sommelier“ unter die drei besten Wermuts in Europa gereiht.

Zutaten aus der Region
Einen Großteil des Obstes beziehen sie vom Ackererhof in Lienz und diversen Privatgärten. Die Birnen kommen aus Südtirol, die Marillen aus der Wachau – denn in Osttirol bekommt man diese nicht in ausreichender Menge. Für eine Tiroler Brennerei produzieren die Schwarzers auch einen exotisch anmutenden Schnaps: einen Blutorangenbrand. Die Orangen dafür kommen aus Sizilien.
Entstanden ist diese Spezialität, weil man aus der Not eine Tugend machte: Ein Obsthändler hatte eine offene Rechnung – und anstatt zu mahnen, bot Schwarzer an, den Betrag in Naturalien zu begleichen. So gelangte die ersten drei Tonnen Blutorangen in die Lienzer Innenstadtbrennerei. Die Vorbereitung für diesen Brand ist aufwendig – die Orangen müssen vor dem Einmaischen geschält werden. Das geschieht im Rahmen eines Gemeinschaftsprojekts oder Gassen-Events mit den Nachbarn und einigen guten Freunden, die hier gerne ihre helfenden Hände zur Verfügung stellen.
Hier schließt sich der Kreis zwischen dem Unternehmer und dem Gesellschaftsmenschen, der als gelernter Steuerberater zwar stets die Unternehmenszahlen im Blick hat, bei dem man aber nie das Gefühl hat, er mache seine Arbeit nur des Geldes wegen.
Hochprozentiges in höchster Qualität
Wie bereits erwähnt, findet man im Innenhof zwischen Messinggasse und Alleestraße das kleine Reich der Familie Schwarzer. Im älteren Gebäude befindet sich der Verkaufsraum, darunter im historischen Keller das große Lager mit den wunderschönen Glasballons. Rudolf Schwarzer hat hier auch alles zusammengetragen, was an historischen Fundstücken der Brennerei seines Vorfahren – des k.u.k. Hoflieferanten Ferdinand Propst – erhalten geblieben ist. Neben alten Holzfässern, Gläsern, Flaschen, Gefäßen und Schildern steht auch die uralte Brennanlage als Schaustück im weitläufigen Keller. Theoretisch ist sie sogar noch funktionstüchtig, erklärt der stolze Besitzer – denn alle Teile sind noch intakt. Ausprobiert hat er sie allerdings nicht mehr. Muss er auch nicht – dafür steht im neueren Gebäude nebenan ein moderner Brennkessel bereit.
Dort wird unter größter Sorgfalt, mit viel Liebe und überliefertem Brennerwissen Hochprozentiges in höchster Qualität hergestellt. Die Brennerei Schwarzer räumt regelmäßig bei verschiedenen Wettbewerben Preise ab. Eines der erfolgreichsten Jahre war 2009 – da wurde sie bei der „Destillata“ zum drittbesten Brenner Österreichs gekürt. Vor wenigen Wochen konnte man sich erneut österreichweit behaupten: Mit fünf Gold-, einer Silber- und einer Bronzemedaille sicherte sich die Brennerei bei der VinariaTrophy den dritten Platz unter den besten Brennereien der Alpenrepublik. Seine fünf Sortensieger: Schwarzers „Williams W 47“, die „Alte Hauszwetschke“und der „Rote Williamsbrand“, sowie„Tschin ohne Namen“ und der „Tiroler Pregler“ beeindruckten die Jury durch „Balance, Typizität und kraftvolle Texturen“.

Die Vinaria, Österreichs führende Zeitschrift für Weinkultur und Spirituosen, gilt als Pendant zu Gault&Millau oder Guide Michelin in der Gastronomiewelt. Ihre jährliche „Best of Schnaps“-Verkostung ist ein Gütesiegel für höchste Qualität und prämiert Brennereien, die durch Handwerkskunst, Innovation und regionales Engagement überzeugen.
Auf der ganzen Welt gefragt
Die edlen Brände von Romana und Rudolf fanden bereits ihren Weg zu einer großen deutschen Airline. Eine andere Firma ließ für einen Geschenkkarton einen „Tiroler Negroni“ produzieren – ein Cocktail aus Gin, Touristenbitter und Wermut.
Der Wermut nach dem historischen Rezept geht stark in den Export und wurden auch schon nach Mallorca und Berlin geliefert. Ebenso wie viele der anderen Destillate, die hauptsächlich über ein Netz befreundeter Händler vertrieben‚ werden.